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Der Maximilianstil

Eine Meile voller Pracht
 

Muss man in der Baukunst, um etwas Treffliches zu schaffen, immer ausschließlich einem reinen Stile folgen, oder ist es einem schöpferischen Geist erlaubt, aus den verschiedenen das Beste wählend, etwas Originelles zu bilden?  Es war die Sehnsucht nach einer ganz anderen Architektur, nach einer nicht gekannten Formensprache, die Maximilian schon als jungen Kronprinzen umtrieb, wie dieser Gedanke von 1833 zeigt. Später sollte die Beantwortung der Frage, „ob ein neuer Baustil möglich sei“, zu seiner ureigenen Mission, ja sogar zur Lebensaufgabe des dritten bayerischen Königs werden. Als Maximilian nach der Abdankung seines Vaters Ludwig I. im März 1848 den Thron bestieg, hatte er schon längst einige Ideen gesammelt. Mit ihnen wollte er nicht zuletzt aus dem Schatten der dominanten Vaterfigur treten. 


Ludwig I. hatte mit seinen Projekten München von einer Provinzkapitale in eine europäische Metropole von Rang und Namen verwandelt: Ludwigstraße, Königsplatz, Universität, Alte Pinakothek, Feldherrnhalle und Königsbau der Residenz – sie alle gehen auf das Konto des Vaters, eines glühenden Verehrers antiker Baukunst. Dessen Hofarchitekten Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner bedienten sich der Vorbilder der italienischen Renaissance oder des alten Griechenlands – Rundbögen, mächtige Säulen, prunkvolle Gesimse und weit auseinander liegende Fenster wurden so zum architektonischen Markenzeichen von Ludwigs Regentschaft.  Von diesem Programm wollte sich Maximilian emanzipieren. Zunächst ging es dem frisch ernannten König darum, eine neue Form für jenen „großen Nationalbau auf der Isarhöhe“ zu finden, von dem er zum Zeitpunkt seiner Krönung schon seit 15 Jahren träumte. Dort sollten exzellente Schüler aus allen Landesteilen und Schichten der Gesellschaft gefördert und für den Staatsdienst ausgebildet werden: „Bayerns hoffnungsvollen Söhnen bauet Max hier ein Asyl“ – so hieß es im Festlied zur Grundsteinlegung des „Königlichen Maximilianeums“ im Jahr 1857. Auch heute beherbergt das Maximilianeum nicht nur den Bayerischen Landtag, sondern immer noch die gleichnamige Stiftung, die die Jahrgangsbesten fördert.  Doch warum hat es damals so lange bis zum Baubeginn gedauert? Fast zehn Jahre gingen von der Thronbesteigung Maximilians bis zur Grundsteinlegung des Maximilianeums ins Land. Nachdem der König zweimal Pläne des Münchner Akademieprofessors ablehnte, initiierte er einen großen europaweiten Architekturwettbewerb, in dem er eine „neue, natur- und zeitgemäße, volks- und ortseigentümliche Baukunst“ forderte. Doch auch von diesen Einreichungen wurde kein Entwurf verwirklicht – womöglich auch, weil Maximilian seine Wünsche nicht konkret genug zu formulieren wusste.
 

Es war die Sehnsucht nach einer ganz anderen Architektur. 


Nahezu zeitgleich startet der wissenschaftsaffine König eine Initiative zur „Stadtverschönerung“. Damit war neben Parkanlagen auch eine neue Straßenachse gemeint, die das künftige Maximilianeum und damit Münchens Osten mit der Innenstadt verbinden sollte. Und tatsächlich geht es hier deutlich zügiger voran: Bereits der erste Plan, der von dem jungen Architekten Friedrich Bürklein eingereicht wird, überzeugt den König. Es ist der Auftakt einer langjährigen Zusammenarbeit, die Bürklein viele Aufträge einbringt – aber auch Nerven kostet, da Maximilian mitunter erratisch agiert und Bürklein wenige Freiheiten lässt.

Alles „Frostige, Schwerfällige und Strenge“ solle vermieden werden, die neue Straße heiter und leicht werden, so die Anweisung des Herrschers. Und das unter Einsatz vieler gotischer Elemente, wie etwa Spitzbogenfenstern. Seit seiner Reise zur Krönung von Queen Victoria in London ist Maximilian vom „angelsächsischen Städtestil“ angetan, jener englischen Ausprägung der Gotik, die auch für den neuen Stil bestimmend werden sollte.  In München wird schließlich der Sitz der Regierung von Oberbayern zu jenem Bau, in dem der neue Maximilianstil am konsequentesten umgesetzt wurde: Für den mehr als 150 Meter langen Riegel, der gleich hinter dem Altstadtring beginnt, und dort, wo sich die Maximilianstraße weitet, konnte Bürklein aus dem Vollen schöpfen. Mit großen gotischen Fenstern hat der Architekt die typische Fassade aus Terrakottafliesen (welche übrigens in einer Ziegelei in Bogenhausen gebrannt wurden) sicher gegliedert. Sie sind von einer fein ziselierten Dekoration gerahmt, bei der Bürklein ganz unbekümmert mit ornamentalen Motiven spielen konnte. Der Romanik oder der Renaissance entlehnt, wirken sie arabesk – ohne, wie etwa im gegenüberliegenden Museum Fünf Kontinente, überbordend zu werden.

Auch den innerstädtischen Teil der mehr als 1600 Meter langen Maximilianstraße hat Bürklein (bis auf das Hotel Vier Jahreszeiten, für das der preußische Architekt Rudolf Gottgetreu engagiert wurde) fast im Alleingang entworfen. So entstand ab dem Jahr 1854 in lediglich zehn Jahren eine prachtvolle, belebte Schneise, die mit ihren Arkaden und großen gotischen Fenstern Leichtigkeit und Licht in die Enge der mittelalterlichen Altstadt trug; eine beachtliche Leistung – schließlich standen Bürklein lediglich zwei Zeichner und ein Buchhalter zur Seite.

 

Alles „Frostige, Schwerfällige und Strenge“ solle vermieden werden, die neue Straße heiter und leicht werden, so die Anweisung des Herrschers.

 

Da war es nur folgerichtig, dass auch er es war, der schlussendlich mit dem Bau des Maximilianeums beauftragt wurde. Doch wieder einmal mischte sich König Maximilian – noch kurz vor seinem Tod – in Bürkleins Pläne ein: Statt der immer favorisierten Spitzbogenfenster waren nun plötzlich Rundbögen erwünscht. Damit sollte das Maximilianeum, die Krönung der Maximilianstraße auf der anderen Flussseite, die schwebende Gloriette, ein gänzlich anderes Gesicht erhalten. Hat der König noch kurz vor seinem Ableben an seinen eigenen Prinzipien gezweifelt? War er unzufrieden geworden mit jenem Stil, der seinen Namen trägt und der nur in München vorzufinden ist? Wir wissen es nicht. Gut 30 Jahre später entsteht eine radikal neue Stilrichtung, die sich nicht mehr aus dem bereits Vorhandenen bedienen möchte: der Jugendstil. Es ist nicht ganz ironiefrei, dass dieser auch an der Maximilianstraße in den Kammerspielen eine beispielhaft gelungene Form findet. Von außen lässt er sich aber nur erahnen.  

Maximilian II. Joseph von Bayern aus dem Haus Wittelsbach.

Baumeister Friedrich Bürklein – Architekt, bayerischer Baubeamter und Schüler von Friedrich von Gärtner. Zu seinen Hauptwerken zählt der Bau des Maximilianeums.

Maximilianeum

Museum Fünf Kontinente

Regierung von Oberbayern

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