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München leuchtet – und das nirgends so majestätisch wie am Max-Joseph-Platz und an der Bayerischen Staatsoper.

München leuchtet – und das nirgends so majestätisch wie am Max-Joseph-Platz und an der Bayerischen Staatsoper.

Das kulturelle Herz der Stadt

Der erste Eindruck ist immer entscheidend. Als Heinrich Heine im November 1827 nach München kommt, ist er nicht sonderlich begeistert. An seinen Freund, den Schriftsteller und Diplomaten Karl August von Varnhagen, schreibt er nach Berlin: „Es sieht hier so aus wie ich es erwartete, nemlich herzlich schlecht. Die Leute sind besorgt, daß es mir nicht gefalle, und wissen nicht, daß ich eigentlich nur ein stilles Zimmer in dieser Welt suche. Ich will mich in mich selbst zurückziehn und viel schreiben. Wenn das Clima mir nicht zusagt, so packe ich den Coffer. Drum will ich mich auch auf nichts festes einlassen.“


Wie sehr Heine sich doch irren sollte. In der Residenzstadt mit ihren damals etwa 80.000 Einwohnern herrschte seit zwei Jahren König Ludwig I., der große Pläne hatte, München aus der gemütlichen, altbayerischen Bauernstadt zu einer Metropole der Kunst und Kultur zu erheben. In nur wenigen Jahrzehnten verwandelte er die Hauptstadt des 1806 von Napoleons Gnaden gegründeten Königreichs vor allem mithilfe seines genialen Baumeisters Leo von Klenze in ein „Athen des Nordens“. Noch als Kronprinz hatte er sich von Leo von Klenze mit der Glyptothek ein Antikenmuseum errichten lassen, das den Besucher mit griechischen und römischen Skulpturen erfreute, die Alte und die Neue Pinakothek für die stetig wachsenden Gemälde- und Porzellansammlungen der Wittelsbacher folgten auf dem Fuße, ebenso wie der Königsplatz und die Ludwigstraße als Prachtboulevard.


Der scharfzüngige Heine wurde mit den Reizen der Stadt nicht recht warm, er reiste am Ende weiter nach Italien. Wie man dem 1830 erschienenen dritten Teil seiner „Reisebilder“, die von seiner Reise von München nach Genua handeln, entnehmen kann, verbrachte Heine damals seine Zeit auch gern in einem Biergarten in Bogenhausen. Er kannte einfach unsere Theater und Museen nicht. Und was hätte er auf seinen Spaziergängen durch die Altstadt schon damals entdecken können. Und wie viel mehr erst recht heute zwischen Max-Joseph-Platz, Residenz- und Maximilianstraße. Denn in der Graggenau schlägt das kulturelle Herz Münchens.


Das Viertel ist geprägt durch die herzoglichen Bauten des Alten Hofes und der Münchner Residenz. Wegen der Nähe zum Hof war das Viertel bei Reisenden schon damals besonders beliebt. Und erst recht heute. Man reibt sich verwundert die Augen, wenn man sich einmal bewusst macht, in was für einer Dichte die wichtigsten Kulturorte der Stadt – oft zudem mit internationalem Rang – sich hier in der Graggenau in Fußdistanz konzentrieren. Ob das Nationaltheater und das Residenztheater am Max-Joseph-Platz, die Münchner Kammerspiele mit der weltberühmten Otto Falckenberg Schule, das GOP Varieté-Theater, der Espace Louis Vuitton oder das Museum Fünf Kontinente in der Maximilianstraße, das Hofspielhaus in der Falkenturmstraße, der Marstall, die ganzen Galerien im Viertel, die Residenzmuseen mit der Schatzkammer, dem Antiquarium oder den königlichen Prunkappartements, der Kunstverein (der übrigens bei Heines Besuch schon vier Jahre existierte) oder das Deutsche Theatermuseum direkt am Hofgarten. Oder dann in Laufweite die Kunsthalle in der Theatinerstraße, die drei Pinakotheken, die Glyptothek, die Staatliche Antikensammlung, das Ägyptische Museum und in der anderen Richtung das Haus der Kunst, das Bayerische -Nationalmuseum und die Schackgalerie in der Prinzregentenstraße oder die Archäologische Staatssammlung am Englischen Garten. 


Wofür soll man sich entscheiden? Hinein in die Residenz, zu den bayerischen Kroninsignien in der Schatzkammer, durch die Nibelungensäle mit den großen Fresken der Nazarener, durch das Antiquarium oder auf einen Blick in den komplett erhaltenen rot-goldenen Rokoko-Zuschauerraum des Cuvilliés-Theaters? Hinüber ins überwältigend schöne Nachmittagslicht der Glyptothek auf den Spuren des Barberinischen Fauns oder doch in den Espace Louis Vuitton, um mit dem französischen Multimedia-Künstler Philippe Parreno in die Gedankenwelt von Marilyn Monroe einzutauchen?


Wer erleben möchte, auf welch kraftvolle, kluge und lustvolle Weise das Theater heute mehr denn je der Ort sein kann, an dem die -Diskurse unserer Zeit verhandelt werden, der sollte auf jeden Fall in die Kammerspiele gehen, wo bereits Bertolt Brecht, Karl Valentin und Liesl Karlstadt, Franz Xaver Kroetz oder George Tabori ihre Triumphe feierten und die aktuell mit der opulenten Inszenierung von Anton Tschechows Frühwerk „Die Vaterlosen“ in der Regie von Jette Steckel ebenso von sich reden machen wie mit Katja Brunners gleichermaßen humorvoller wie poetisch anspruchsvoller Überschreibung von Shakespeares Königsdrama „Richard Drei“, die den überzeitlichen Stoff um Macht und Politik in der Regie von Peter Kastenmüller unwiderstehlich in die Gegenwart bringt.


Eine Gegenwart, die sich auch diesen Sommer nicht denken lässt ohne die Münchner Opernfestspiele der Bayerischen Staatsoper, die mit großer Geste Verdi, Wagner, Mozart oder Prokofjew zur Aufführung bringen werden. „Aida“ unter freiem Himmel auf dem Max-Joseph-Platz wird ganz sicher ein unvergessliches Erlebnis sein – wer diese „Oper für alle“ 2023 verpassen sollte, darf sich dann immerhin mit genügend Vorlauf auf Puccinis „Tosca“ im Sommer 2024 freuen. Denn eines sollte bei diesem Rundgang durch die Landschaft der Münchner Kultur klar geworden sein: Heinrich Heine sollte dringend mal wieder nach München reisen. 

 

Dekoratives Defilée

Dekoratives Defilée: Das 1568-1571 errichtete Antiquarium mit der Skulpturensammlung ist der älteste erhaltene Raum der Residenz.

Der Brunnenhof

Einst Schauplatz höfischer ­Turnierfeste, heute ein Ort der Kontemplation: Der Brunnenhof ist einer der vielen repräsentativen (und zum Teil versteckten) Höfe der Residenz, die es bei einem Rundgang zu entdecken gibt.

Kammerspiele

Am Abend könnte es in die Kammerspiele gehen, in denen Brecht, Karl Valentin und Liesl Karlstadt, Franz Xaver Kroetz oder George Tabori ihre Triumphe feierten. Oder in großer Garderobe in die Bayerische Staatsoper zur nächsten Premiere.

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